Massive Kritik an Merz nach Annahme von Migrationsplänen mit AfD-Unterstützung
Beispielloser Vorgang im Bundestag: Erstmals hat ein Antrag mit Hilfe der AfD eine Mehrheit erhalten. Die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte Partei stimmte am Mittwoch für einen Fünf-Punkte-Plan von CDU/CSU zur Verschärfung der Migrationspolitik. Dies führte zu heftiger Kritik an Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), der Stimmen der AfD im Vorfeld ausdrücklich in Kauf genommen hatte.
Der Entschließungsantrag der Union wurde in namentlicher Abstimmung von 348 Abgeordneten unterstützt. 344 Parlamentarier und Parlamentarierinnen stimmten dagegen, zehn enthielten sich.
Alle teilnehmenden AfD-Abgeordneten votierten für den Unionsantrag. Auch die FDP unterstützte den Plan mit 80 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen. Eine Gegenstimme gab es jedoch bei der Union: Die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann votierte gegen den Antrag, weitere Unions-Abgeordnete gaben ihre Stimme nicht ab. SPD, Grüne und Linke stimmten wie angekündigt dagegen, BSW-Vertreter enthielten sich.
In dem von Merz nach dem Messerangriff von Aschaffenburg angekündigten Fünf-Punkte-Plan verlangen CDU/CSU unter anderem die umfassende Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen. Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll zudem "unmittelbar in Haft" kommen. Direkte rechtliche Folgen hat die Annahme des Antrags jedoch nicht.
Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses erhoben SPD, Grüne und Linke schwere Vorwürfe gegen Merz und die Union. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, die Union sei "aus der politischen Mitte dieses Hauses" ausgebrochen. Merz habe "leichtfertig" und "wissentlich" die AfD-Unterstützung in Kauf genommen.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Merz in einer Regierungserklärung schon vor der Abstimmung vorgeworfen, einen "schweren Fehler" zu begehen. Merz habe mit seinem Vorgehen den "Grundkonsens unserer Republik im Affekt aufgekündigt", dass niemals mit extrem Rechten gemeinsame Sache gemacht werden dürfe, sagte Scholz. CDU/CSU verstießen zudem mit ihren Plänen gegen das Grundrecht auf Asyl und europäisches Recht. Der Kanzler warnte dabei vor "fataler Signalwirkung", wenn das größte EU-Land offen europäisches Recht breche.
Grünen-Ko-Fraktionschefin Britta Haßelmann sprach nach der Abstimmung von einem "historischen Tag - und zwar im negativen Sinne". "Das haben Sie zu verantworten", sagte Haßelmann in Richtung von Merz. Der CDU-Chef werde "einen hohen Preis" zahlen und fortan "ein Getriebener" sein.
Merz verteidigte sein Verhalten. Er bedauere zwar, dass die Mehrheit mit der AfD zustande gekommen sei, sagte er. Die anderen Parteien könnten seiner Fraktion aber "nicht das Recht absprechen, dass wir hier Anträge zur Abstimmung stellen, die wir für richtig halten". Er mache SPD und Grünen nun ein "Angebot", sich bis Freitag gemeinsam mit der Union auf ein Gesetz zur Migration zu einigen.
AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem "historischen Tag für Deutschland". Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann betonte: "Jetzt beginnt etwas Neues und das führen wir an.". Die AfD-Fraktion schrieb mit Blick auf den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der Bündnisse und Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, im Online-Dienst X: "Die Brandmauer bröckelt."
Die Linken-Gruppenchefin Heidi Reichinnek sprach von einem "Dammbruch". Sie rief SPD und Grüne auf, eine Koalition mit der Union nach der Bundestagswahl auszuschließen.
Ein zweiter Antrag der Union scheiterte am Mittwoch. Er forderte insbesondere eine Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Er hatte im Vorfeld keine Unterstützung von der AfD oder anderer Parteien erhalten.
Am Freitag will die Union nun auch einen Gesetzentwurf zur Abstimmung stellen, der einen Teil der in den Anträgen geforderten Maßnahmen enthält. Hier sind die Aussichten für eine Annahme nochmals höher: Für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz wollen neben Union und AfD erklärtermaßen auch FDP und das BSW stimmen.
Es hat drei wesentliche Punkte: Im Aufenthaltsgesetz soll die Begrenzung der Migration als Ziel festgeschrieben werden; der Familiennachzug für sogenannte subsidiär Schutzbedürftige soll eingestellt werden; und die Bundespolizei soll die Befugnis bekommen, selbst Haft oder Gewahrsam für Ausreisepflichtige zu beantragen.
W.Dupont--JdB