Grünen-Parteitag beschließt Wahlprogramm - scharfe Attacken gegen Merz
Fast einstimmig haben die Grünen auf ihrem Bundesparteitag in Berlin ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl am 23. Februar beschlossen. Es gab keine Gegenstimmen und nur zwei Enthaltungen. Im Programm fordern die Grünen, den Menschen "den Alltag bezahlbar" zu machen. Viele Reden auf dem Parteitag am Sonntag waren geprägt von scharfen Attacken auf CDU-Chef Friedrich Merz - vor allem wegen dessen angedeuteter Offenheit für Mehrheiten auch mit AfD-Stimmen.
In ihrem Wahlprogramm fordern die Grünen unter anderem die Einführung eines Klimagelds, ein wieder auf 49 Euro reduziertes Deutschlandticket und einen Mindestlohn von 15 Euro. Hinzu kommen Steuerentlastungen, vor allem für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens wird bekräftigt.
In der Migrationspolitik bekennen sich die Grünen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese müsse aber "grund- und menschenrechtskonform" umgesetzt werden. Außenpolitisch will die Partei bei der Unterstützung der Ukraine Kurs halten und die Verteidigungsausgaben angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderungen über die Nato-Quote von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinaus erhöhen. Dagegen gab es Gegenanträge, die aber abgelehnt wurden.
Auf dem Parteitag gab es trotz ursprünglich rund 1900 eingereichten Änderungsanträgen insgesamt nur ein knappes Dutzend Kampfabstimmungen. Einige Änderungswünsche wurden ganz oder teilweise in den Programmtext eingearbeitet. Nachgeschärft wurden beispielsweise Passagen zum Klimaschutz und zur regelmäßigen Anpassungen des Bürgergelds an den Bedarf. Gegen den Willen der Parteispitze neu eingefügt wurde nur die Forderung nach einem ganzjährigen, bundesweiten Verkaufsverbot für Feuerwerkskörper.
Unions-Kanzlerkandidat Merz will kommende Woche im Bundestag einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik einbringen - notfalls auch mit Stimmen der AfD. Merz distanzierte sich später explizit von den Rechtspopulisten; er wolle keine Mehrheit mit der AfD, erklärte er. Habeck forderte den CDU-Chef dennoch auf, sich zu korrigieren, um den Verdacht einer Zusammenarbeit mit der in Teilen rechtsextremen Partei auszuräumen.
"Nichts daran ist harmlos", sagte Grünen-Kanzlerkandidat Habeck in seiner Rede zu den Plänen des CDU-Chefs. "Man sollte das nicht als strategische Fehlleistung abtun", warnte der Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Es zeige, "wie sehr die Dinge in Europa schon ins Rutschen geraten sind", wie sehr die Diskussion verrückt sei.
Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Felix Banaszak in seiner Parteitags-Rede. Die Union dürfe nicht den Weg der ÖVP in Österreich gehen, die derzeit mit der extrem rechten FPÖ über eine Koalition unter deren Führung verhandelt. "Herr Merz, stellen sie klar, wo die Union steht", forderte er den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU auf. Mit seinen Äußerungen habe dieser bereits "großen Schaden" angerichtet - ob nun aus "mangelnder Impulskontrolle oder aus zynischem Kalkül".
Auch die Grünen befürworteten aber Konsequenzen aus der Messerattacke von Aschaffenburg und ähnlichen zuvor in anderen Städten - etwa hinsichtlich der Stärkung und besseren Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, besonders bei Gefahren durch psychisch auffällige Menschen. Sie verwiesen allerdings auf die noch von der Ampel-Koalition vorgelegten Sicherheitsgesetzes, die von der Union blockiert würden. Für die beiden Todesopfer des Verbrechens in Aschaffenburg gab es auf dem Grünen-Parteitag eine Gedenkminute.
Ko-Parteichefin Franziska Brantner attackierte auch Kanzler Olaf Scholz (SPD), weil dieser "Rentenangst gegen Ukraine-Hilfe" ausspiele. Damit wolle der Kanzler seine Partei "in eine neue GroKo" retten mit einem "Stillstand 2.0". Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte ebenfalls Scholz wegen dessen Zögerns bei der Aufstockung der Ukraine-Hilfen.
Angemeldet waren zu dem eintägigen Treffen 829 Delegierte, mehr als je zuvor. Grund seien die steigende Zahl der Parteimitglieder - auf mittlerweile rund 160.000, sagte Bundesgeschäftsführerin Pegah Edalatian. Seit Anfang November gingen demnach allein 30.000 neue Mitgliedsanträge ein.
Zum Kanzlerkandidaten hatten die Grünen bereits im November Habeck gekürt, zudem Baerbock als Ko-Spitzenkandidatin. In den Wahlumfragen konnte die Partei zuletzt leicht auf 13 bis 14 Prozent zulegen. Habeck sprach von massivem Rückenwind für die Grünen, der im Wahlkampf deutlich spürbar sei.
R.Michel--JdB