Journal De Bruxelles - Russland deutet militärischen Strategiewechsel in der Ukraine an

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Russland deutet militärischen Strategiewechsel in der Ukraine an
Russland deutet militärischen Strategiewechsel in der Ukraine an

Russland deutet militärischen Strategiewechsel in der Ukraine an

Im Ukraine-Krieg zeichnet sich ein Strategiewechsel der russischen Armee ab. Künftig werde sich die Armee auf die "Befreiung" der Donbass-Region im Osten des Landes konzentrieren, sagte Russlands Vize-Generalstabschef Sergej Rudskoj am Freitag. Das ukrainische Militär hatte zuvor bedeutende Geländegewinne unter anderem in der Hauptstadtregion Kiew gemeldet. Die russische Armee räumte den Tod von mehr als 1350 ihrer Soldaten seit Beginn der Invasion vor einem Monat ein.

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Die ersten bei dem "besonderen Militäreinsatz" in der Ukraine gesetzten Ziele seien erreicht und die "ukrainischen Kampfeinheiten in bedeutendem Umfang reduziert worden", sagte Rudskoj. Damit könne die Armee künftig "den Großteil ihrer Anstrengungen auf das Hauptziel richten: Die Befreiung des Donbass". Rudskoj schloss gleichwohl weitere Luftangriffe auf ukrainische Städte nicht aus.

Die ukrainische Regierung wirft der russischen Armee seit Wochen vor, gezielt zivile Ziele anzugreifen. Am Freitag meldete die Polizei der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw den Tod von mindestens vier Zivilisten in einer medizinischen Einrichtung durch russischen Beschuss.

Bewohner der nahe der russischen Grenze gelegenen Metropole sagten der Nachrichtenagentur AFP, in Charkiw sei Streumunition eingesetzt worden. Die Stadtverwaltung der seit Wochen belagerten Hafenstadt Mariupol sprach am Freitag von rund 300 Menschen, die vermutlich durch den Beschuss eines als Schutzort dienenden Theaters in der vergangenen Woche getötet worden seien.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies am Freitag Vorwürfe Kiews zurück, durch den Einsatz von Phosphorbomben in Wohngebieten gegen internationale Waffenkonventionen zu verstoßen. Zugleich warf er den USA erneut vor, mit Warnungen vor einem möglichen Chemiewaffeneinsatz Russlands in der Ukraine von einem angeblich chemischen und biologischen Waffenprogramm ablenken zu wollen, das Washington dort und in anderen Ländern verfolge.

Erstmals seit drei Wochen legte Russland offiziell Zahlen zu eigenen Verlusten in der Ukraine vor. Demnach wurden 1351 russische Soldaten getötet und mehr als 3800 weitere verletzt. Die Ukraine spricht von weitaus höheren Opferzahlen auf russischer Seite.

Nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes gelang der ukrainischen Armee zuletzt die Rückeroberung mehrerer wichtiger Orte und Verteidigungspositionen östlich der Hauptstadt Kiew. Demnach zerstörte die ukrainische Armee als Teil ihrer Strategie, auf die verwundbaren russischen Versorgungslinien zu zielen, auch ein russisches Munitionslager.

Der ukrainische Generalstab meldete darüber hinaus die Zerstörung des russischen Landungsschiffs "Saratow" sowie die Beschädigung der Landungsschiffe "Cäsar Kunikow" und "Nowotscherkassk". Das russische Militär erklärte seinerseits, es habe mit "hochpräzisen seegestützten Marschflugkörpern" das größte Treibstofflager der Ukraine in Kalyniwka bei Kiew zerstört.

Nach UN-Angaben flohen seit Beginn des russischen Angriffskrieges bereits mehr als 3,7 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland. Allein 2,2 Millionen Flüchtlinge kamen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom Freitag in den vergangenen vier Wochen in Polen an.

US-Präsident Joe Biden traf am Freitagnachmittag zu einem zweitägigen Besuch in Polen ein. In der nahe der ukrainischen Grenze gelegenen Stadt Rzeszow traf Biden einige der insgesamt 10.500 in Polen stationierten US-Soldaten. Am Samstag will Biden in Polen mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Duda über "die humanitäre und menschenrechtliche Krise" in der Ukraine sprechen und mögliche Reaktionen erörtern.

Bidens Besuch in Polen folgt auf den Nato-Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel, bei dem das Militärbündnis angesichts des Ukraine-Krieges eine weitere Verstärkung seiner Ostflanke beschlossen hatte.

Biden hatte Russland am Donnerstag erneut eindringlich vor einem Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine gewarnt und mit einer "Antwort" der Nato gedroht. Der US-Präsident schloss allerdings in den vergangenen Wochen wiederholt ein direktes Eingreifen in den Ukraine-Krieg aus.

K.Willems--JdB