Ukraine: Russland greift Schule in Mariupol an - Selenskyj will mit Putin verhandeln
Russland hat die Belagerung ukrainischer Städte weiter intensiviert und offenbar in der umkämpften Hafenstadt Mariupol auch eine Schule angegriffen. Streitkräfte hätten das Schulgebäude beschossen, in dem mehrere hundert Menschen Zuflucht gefunden hatten, erklärte die Stadtverwaltung am Sonntag. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte die Attacke, zeigte sich aber weiterhin bereit zu Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, die russische Armee habe erneut ihre hochmodernen Hyperschallraketen eingesetzt.
Selenskyj bekräftigte am Sonntag, dass er "zu Verhandlungen" mit Putin bereit sei. Sie seien der einzige Weg, "diesen Krieg zu beenden", sagte er dem US-Sender CNN. Er verteidigte die bislang ergebnislosen Gesprächsrunden als "sehr wertvoll". Würden "diese Versuche scheitern, würde das den dritten Weltkrieg bedeuten", warnte er.
Nach Angaben der Türkei, die eine Vermittlerrolle eingenommen hat, kommen die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über ein Ende des Krieges aber voran. "Wir sehen, dass die Parteien kurz vor einer Einigung stehen", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
Von Israel - einem weiteren Vermittler in dem Konflikt - forderte Selenskyj Rückendeckung. Jetzt sei es an der Zeit, "dass Israel seine Wahl trifft", sagte er in einer per Videoschalte übertragenen Rede vor der Knesset.
Die chinesische Regierung betonte derweil, dass sie Russland keine militärische Unterstützung leiste. Peking steht unter starkem Druck seitens der Vereinigten Staaten und ihrer europäischen Verbündeten, sich von Moskau zu distanzieren.
Den Angriff auf die Schule in Mariupol bezeichnete Selenskyj als "Terrorakt". In der Kunstschule G12 hätten sich zur Zeit des Angriffs am Samstag rund 400 Schutzsuchende aufgehalten, "Frauen, Kinder und ältere Menschen", erklärte die Stadtverwaltung. Am Sonntag waren demnach noch Menschen unter den Trümmern eingeschlossen, Angaben zu möglichen Opfern gab es noch nicht.
Am Mittwoch hatten russische Einheiten nach ukrainischen Angaben bereits ein Theater in der seit Wochen belagerten Hafenstadt Mariupol angegriffen, in dessen Keller sich hunderte Einwohner geflüchtet hatten. Abschließende Angaben zu möglichen Opfern in der Theaterruine lagen am Sonntag weiterhin nicht vor, da die Aufräumarbeiten andauerten.
Der Leiter der ukrainischen Regionalverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, prangerte unterdessen an, dass Einwohner von Mariupol gegen ihren Willen nach Russland gebracht würden. In speziellen Lagern würden ihre Telefone durchsucht und sie müssten ihre ukrainischen Pässe abgeben. Mehr als tausend Menschen seien so bereits verschleppt worden. Von unabhängiger Seite ließen sich diese Angaben nicht überprüfen.
Auch in anderen ukrainischen Städten im Süden, Osten sowie rund um die Hauptstadt Kiew wurde die Lage immer prekärer. Vor einem Wohnblock in Kiew explodierte am Sonntag eine Granate. Fünf Menschen wurden nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko verletzt.
Der Nothilfe-Koordinator des Welternährungsprogramms (WFP), Jakob Kern, sagte der Nachrichtenagentur AFP, hunderttausende Frauen und Kinder in eingekesselten Städten in der Ukraine könnten nicht mit Hilfsgütern versorgt werden. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind zehn Millionen Menschen auf der Flucht, knapp 3,4 Millionen von ihnen haben das Land verlassen.
Der Bürgermeister der nordukrainischen Stadt Tschernihiw, Wladislaw Atroschenko, schilderte eine "absolute humanitäre Katastrophe" in seiner Stadt. "Dutzende Zivilisten werden getötet, Kinder und Frauen", sagte er im Fernsehen. Es gebe "keinen Strom, keine Heizung und keine Wasserversorgung".
Das Verteidigungsministerium in Moskau gab derweil den erneuten Einsatz hochmoderner Hyperschallraketen bekannt. Nachdem damit am Freitag bereits ein unterirdisches Waffendepot der ukrainischen Luftwaffe zerstört worden sei, habe die russische Armee mit weiteren Raketen vom Typ Kinschal (Dolch) Treibstofflager in der südlichen Region Mykolajiw zerbombt. Der Angriff am Freitag war nach Einschätzung von Militärexperten der erste Einsatz von Hyperschallraketen in einem bewaffneten Konflikt jemals.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte außerdem, dass mit "Hochpräzisionsraketen" ein Trainingszentrum der ukrainischen Spezialeinheiten in der Region Schytomyr westlich von Kiew beschossen worden sei: "Mehr als 100 Mitglieder der (ukrainischen) Spezialkräfte und ausländische Söldner wurden bei diesem Schlag getötet." Bei einem weiteren russischen Luftangriff in der Region wurden laut Rettungskräften drei Menschen verletzt.
T.Moens--JdB